der manarchist

ich habe diesen menschen ein paar mal getroffen und ich fand ihn jedes mal unangenehm. mackriges auftreten, sexistische sprüche, und immer irgendwelche leute die das runtergespielt und verharmlost haben, weil dieser mensch ist halt so, und außerdem ist der sonst ganz toll, und überhaupt gibts schlimmeres. leute, die sowas in anderen situationen klar haben und nicht um der harmonie willen kritik runterschlucken. ich jedenfalls hab im folgenden versucht mit diesem menschen möglichst wenig zu tun zu haben.

was garnicht so einfach ist, wenn ein bestimmter sozialer kontext der fanclub eines solchen menschen ist, andererseits doch immer wieder betroffene dessen sexismen sich abwenden, weil sie der gruppendynamischen mackerapologetik entfliehen wollen. letztendlich führt so ein sich wiederholendes miterleben dieser mechanismen irgendwann zu dem punkt, an dem ich ignoranz nicht mehr rechtfertigen kann und die konsequenz letztendlich lautet, mich mit nem haufen menschen, die ich sehr mag, anzulegen, weil sie die unhinterfragenden, kleinredenden und entschuldigenden peers eines kritisierensnotwendigen typen sind.

letztendlich geschieht die konfrontation von selbst. beim kleinsten anzeichen von kritik fühlt sich der typ bedroht und startet eine preemptive eskalation mit allem was an machtausspielung, derailing und victim blaming möglich ist. kritik wird umgemünzt in einen „streit“, eine politische ebene wird sofort abgesprochen und verschleiert. welche im verdacht der kritik stehen, werden sofort gebrandmarkt und zu fiesen hetzenden erklärt während der typ sich in die bequeme opferposition zurückzieht. intervention, die darauf abzielt, betroffene sozial zu isolieren folgt darauf. das alles mit willfähriger unhinterfragter unterstützung der peers, die gar selbstgelabelt als team $typ verschwörungstheorien spinnen, und in gleichgültiger delusion sonst kritischer öffentlicheiten, die sich nicht in so gezeichnete persönliche streitereien einmischen wollen. während im seitenkanal weiter fröhlich sexistische zoten zum besten gegeben werden.

ein perfektes ausspielen von macht, aus einer selbstverorteten position der perfekten symbiose aus opferrolle als miderprivilegierter mittelloser politisch engagierter weißer typ und strukturell bedeutender figur in einer linken szene, und das alles ohne einen funken selbstreflexion. getragen von einem umfeld, das irgendwo zwischen resignation und ignoranz in völliger kritiklosigkeit verharrt.

diese apologetik für macker in den eigenen reihen kotzt mich an und das vorgehen gegen betroffene unter absprache der legitimität von kritik ist widerlich.

keine solidarität mit manarchisten und deren fans.

blöcke hüten

vor ein paar tagen bekam anne auf twitter ein paar tausend neue follower. allerdings handelte es sich dabei nicht um menschen, die an annes tweets interessiert gewesen wären, sondern um zahlreiche leblose fake-accounts, deren zweck hauptsächlich darin besteht, followerzahlen zu manipulieren und wie sie an verschiedenen stellen im netz gegen geld angeboten werden. das klappt natürlich nicht nur für den eigenen account, sondern für jeden beliebigen, und so kann für andere accounts für nur ein paar euro der anschein erweckt werden, mensch würde fake-follower kaufen. auch wenn das harmlos klingt, bindet es zeit, resourcen und energie. genau das ist anne passiert.

für die meißten menschen ist es zeitaufwendig und ätzend, tausende fake-follower wegzublocken. mit etwas programmierkenntnis geht das allerdings recht einfach und zum nachmachen werde ich es hier erklären.

über die twitter-api lässt sich fast alles machen, was mensch auch über die webseite oder einen twitter-client machen kann, unter anderem das auslesen der follower und das blocken. um auf die api zuzugreifen, werden zwei dinge benötigt: eine zugang für die eigene applikation und eine authorisierung des accounts, in dessen namen der zugriff erfolgt. für den eigenen account lässt sich das einfach über die developer-seite von twitter besorgen.

über die api habe ich zunächst die follower ausgelesen und analysiert. mir ist aufgefallen, dass die fake-follower einige verräterische eigenschaften haben:

  • das verhältnis von followings zu followern beträgt mindestens 50:1
  • die anzahl von tweet beträgt weniger als 50
  • der letzte tweet ist mehr als 1 jahr her
  • die anzahl der favs ist 0
  • als sprache ist immer englisch eingestellt
  • es ist keine zeitzone eingestellt

durch diese kriterien war es ein leichtes, die fake-follower auszusieben, miterwischt hat es höchstens weitere spam-accounts. insgesamt habe ich dadurch 3763 zu blockende accounts unter annes followern festgestellt. mit einem kleinen script habe ich diese accounts automatisiert über den entsprechenden api-aufruf geblockt. meine befürchtung, dass nach ein paar hundert blocks ein api-limit greift, hat sich nicht bestätigt und nach etwa einer stunde (ich habe etwa einen aufruf pro sekunde eingestellt, um twitter nicht zu überlasten) war annes account wieder sauber.

umarmt werden

eine geschichte, dir ich für einen lieben menschen leise auf meinem telefon getippt habe, während alle anderen schlafen:

es war einmal ein kleiner charmanter regenbogendinosaurier. der wollte umarmt werden. also zog er hinaus in die welt auf der suche nach armen. er fragte den lilanen leuchtebusch, wo denn die arme sind. in armenien, sagte der leuchtebusch und der kleine charmante regenbogendinosaurier machte sich auf den weg nach armenien. der weg war weit, aber der kleine charmante regenbogendinosaurier hielt gut schritt. schließlich kam er an eine brücke, auf der ein kugelrunder kupferschnupfen lag. hallo, sagte der kleine charmante regenbogendinosaurier zu dem kugelrunden kupferschnupfen. dieser antwortete nur, komm, trink einen zischenden zuckerwhiskey mit mir. das freute den kleinen charmanten regenbogendinosaurier sehr und sie tranken zusammen zischenden zuckerwhiskey. weißt du wie weit es nach armenien ist?, sagte ser kleine charmante regenbogendinosaurier zum kugelrunden kupferschnupfe;, ich bin auf der suche nach armen, die ich umarmen kann. der kugelrunde kupferschnupfen grinste so breit, wie nur kugelrunde kupferschnupfen grinsen können und sagte, armenien, das ist gleich da drüben auf der anderen seite der brücke. der kleine charmante regenbogendinosaurier bedankte sich für den zischenden zuckerwhiskey und betrat armenien auf der anderen seite der brücke. es dauerte nicht lang, da sah er schon die ersten arme von weitem. freudig ging er auf sie zu und begrüßte sie, hallo, ich bin ein kleiner charmanter regenbogendinosaurier und ich möchte umarmt werden. habt ihr vielleich lust mich zu umarmen? die arme winkten ihm zu und entgegneten, klar, das machen wir gerne, wenn wir vorher gefragt werden. dann armten sie ihn um und es war ein sehr glücklicher tag für den kleinen charmanten regenbogendinosaurier. und wenn er nicht gestorben ist, tippt er heute bestimmt eine schöne geschichte für einen lieben menschen in ein telefon. ❤

falsch verbunden

sibylle berg hat umherkolumniert. die zusammenfassung lautet: einsamkeit führt zu konsum und somit kapitalismus, während bezugsgruppen, die unter den begriff der famlilie subsummiert werden, für psychologische stabiltität sorgen und im umkehrschluss den kapitalismus schwächen.

so offensichtlich unsinnig diese these auch ist, eher unbemerkt bleibt der dualismus von einsamkeit versus bindung, der schlecht versteckt vorausgesetzt wird. die ursache für gesellschaftliche herrschaftsverhältnisse wird in beziehungskonzepte und -situationen verlagert, die selbstbestimmung über beziehungen den handelnden abgesprochen.

kapitalismus diffus doof zu finden, aber nicht die frage nach herrschaftsverhältnissen zu stellen, ist keine kapitalismuskritik. herrschaftsverhältnisse schaffen sich nicht ab, indem beziehungskonzepte vorgegeben werden, sondern indem bedürfnisse anerkannt und mit kooperativen prozessen verhandelt werden. es gibt keinen widerspruch zwischen bindungslosigkeit und engagement, sondern einen widerspruch zwischen bedürfnissen und verhältnissen.

echtma.

romantisch hachscheiße

von @sanczny, @sokalist_n und @yetzt

tl;dr Beziehungsformen mit ≥0 Partner*innen funktionieren einfach nicht. —Die Kulturelle Praxis

Kuscheln, küssen, Sex, und dass jemandem nicht völlig egal ist, wenn man nicht da ist. Die Erkenntnis, das von einer einzigen Person zu wollen, ist vielleicht nicht der gelungenste Einstieg in einen Text über heteronormkritische Beziehungskonzepte.

Wer fühlt was für wen? Wer kann das aussprechen, ausleben, und wie? Wer impliziert ins Leere oder sagt gar nichts? Wer kann Aufmerksamkeit einfordern? Wer ist nicht in der Position dazu? Wer schmerzt vor sich hin? Wer kriegt Unterstützung und wer nicht? Wer findet eine_n, zwei, x Partner_in/nen und wer ist zu „kompliziert“. Wer kann im Weg stehen und knutschen? Wem stehen knutschende Pärchen im Weg? Wer fühlt sich angegriffen, wenn das kritisiert wird und warum? Wer kriegt die schlechten Witze ab, die Buh-Rufe, Beschimpfungen, oder Hinweise auf „Issues“? Was hat das alles mit Politik zu tun? Was mit Klasse und anderen Situiertheiten? Was damit, ob man Mann, Frau oder Variation ist und ob und wen man begehrt oder nicht?

Ich habe unter keiner drei – beziehungsweise machtwirklichkeit in groben Zügen aufgeschrieben, worum es geht. In die Lücken gehören x-tausend Seiten Theorie. Viele haben nicht die Zeit, das alles zu lesen, andere nehmen sie sich nicht, und machen stattdessen Witze über Probleme, die nicht ihre eigenen sind.

Was sind das für Probleme?

Das hat @plastikstuhl in der folgenden Zeichnung (via Blog Gendercamp: Heteroperformance in der Öffentlichkeit: Solidarität, RZB und Raumeinnahmen) zusammengefasst:
heteroperformance_plastikstuhl[cc by plastikstuhl]

Hetero- und Paarnormativität reglementieren hin zu Hetero- und Paarbeziehungen und privilegieren diese. Wer die Anforderungen nicht erfüllt, befindet sich außerhalb der Norm und schaut dann wie im obigen Bild etwas unglücklich in die Gesellschaft.

In Beziehungen, auf Beziehungen und aus Beziehungen heraus herrschen Machtverhältnisse. Machtverhältnisse, die man zu einem guten Teil nicht wahrhaben will, wenn man jemanden liebt. Been there, done that. Viele mögen nicht, wenn man in ihrem „Wichtig ist doch nur, dass man sich liebt“-Narrativ die politische Dimension aufzeigt. Liebesbeziehung als Rückzugsort von der Gesamtscheiße kritisch zu beleuchten, passt den meisten nicht ins Konzept. Dass nicht kritisch beleuchtet wird, gehört zum Konzept der Romantischen Zweierbeziehung (RZB) als systemtragender Scheiße™. Politik aus dem Privaten heraushalten zu wollen, macht das Private nicht weniger politisch. Man guckt halt nur nicht hin.

Diese Machtverhältnisse müssen bewusst gemacht und reflektiert werden. Reflektiert – ja, das nervt – was man selbst beiträgt. Wie man dominiert und dominiert wird, sich dominieren lässt. Und ob das alles sich so richtig anfühlt und wenn ja, warum.

Die Herausforderung der romantischen Zweierbeziehung muss am Punkt Romantik anfangen und nicht (erst) bei „Hetero-“ oder „Zweier-„. Romantik als Liebeskonstrukt muss in Frage gestellt werden.

Was ist gemeint mit Romantik als Liebeskonstrukt?

Romantik ist in diesem Zusammenhang nicht der Teil mit der Zuneigung in einer Liebesbeziehung, sondern der kulturelle Code der romantischen Liebe.

Diskursives Wissen ist Produkt von Artikulation durch Sprache. Der kulturelle Code ist die Vorstellung vom Inhalt einer Botschaft. Kodierung und Dekodierung von Botschaften erfolgen mit bestimmtem Vorwissen, Bias, Ideologie. Der Grad des Verständnisses hängt vom Grad der Symmetrie/Asymmetrie zwischen Sender/Kodierendem und Empfänger/Dekodierendem ab. Das Empfangen einer Nachricht ist kein passiver Vorgang, ihre Bedeutung nie völlig vom Sender determiniert (Stuart Hall).

Pulli bedeutet „hält warm“. Romantische Liebe bedeutet nach dominant hegemonialem Verständnis Zuneigung, Zärtlichkeit, Sex, Verbindlichkeit, Loyalität, Zweisamkeit, Treue, Wollen, Schwärmen, Hingabe, Schmetterlinge, … you get the idea.

Die romantische Zweierbeziehung ist gerade mal 300 Jahre alt, dennoch ist ihr kultureller Code so weit naturalisiert, dass sie nicht mehr als konstruiert sondern völlig natürlich, vorbestimmt und unverrückbar, normal erscheint.

Liebe („nur“ Liebe) hatte ursprünglich eine etwas andere Bedeutung, u.a. daran erkennbar, was wir noch heute unter engl. „make love“ („Liebe machen“) verstehen [geguttenbergt aus Karl Lenz: Soziologie der Zweierbeziehung].

Die romantische Liebe ist gekennzeichnet durch:

  1. Die Einheit von Liebe und Sex
  2. Die Einheit von Liebe und Ehe
  3. Die Einheit von Ehe und Elternschaft
  4. Den Ewigkeitsanspruch an die Liebe: Ewige Treue
  5. Den Individualitätsanspruch: Die romantische Liebe ist auf ein einzigartiges Individuum ausgerichtet. Man liebt nicht Frauen_Männer, sondern eine bestimmte Person. Dieser Individualitätsanspruch stellt die Treue sicher und macht Eifersucht explizit überflüssig. Die geliebte Person ist einzigartig, daher konkurrenzlos.
  6. Die Wertschätzung des Individuums (s.o.): Die romantische Liebe die einzige Form von Liebe die Menschen in ihrer Einzigartigkeit anerkennt.
  7. Erst erwiderte Liebe ist richtige Liebe. Hier wird mit der früheren Hierarchie der Geschlechter gebrochen: Frau wird erstmals zu einem autonomen Gefühlssubjekt. Ihre Gefühle sind wichtig. Und sie hat das Recht, Nein zu sagen.

So richtig durchgesetzt hat sich das Ideal der romantischen Liebe und der Liebesheirat erst im 20. Jahrhundert. Zuvor waren Ehen eher von ökonomischem Pragmatismus geprägt. Liebe war keine Voraussetzung für die Ehe. Und Liebe meinte, siehe oben, etwas anderes. Die unbezahlte (meist) weibliche Reproduktionsarbeit in der RZB passt wie zufällig perfekt in die kapitalistische Verwertungslogik. Und wie schon Simone de Beauvoir erklärte, macht der Gedanke, aus Liebe Töpfe zu schrubben, die Sache irgendwie angenehmer. Der Erfolg der Romantischen Zweierbeziehung und dass sie vom – zunächst bürgerlichen – Ideal zur Norm wurde, ist also kein Zufall. Obwohl bürgerliche Gesellschaft und Kapitalismus nicht immer komplett zusammenfallen, wirken sie sehr eng verzahnt zusammen.

So schön das Ideal der RZB auf den ersten Blick erscheint, und so emanzipativ sie gemeint war, so unrealistisch ist sie: Statt ewiger Treue gibt’s Fremdgehen, offene Beziehung und Inanspruchnahme von Sexarbeit als feste, tabuisierte, unvereinbarte aber faktisch immanente, Bestandteile von RZBs, die anders nicht halten würden. Weil man eben doch nicht die eine oder nur die eine Person liebt, die Person den Ansprüchen nicht genügt, oder oder oder. Leute haben Sex miteinander, um Streit zu vermeiden, einen verbindet ja sonst so viel.

Unromantisch, nicht aromantisch

Laut Duden bedeutet romantisch „gefühlsbetont, schwärmerisch; die Wirklichkeit idealisierend“ und unromantisch „nicht romantisch; nüchtern“.

Unter dem einen unromantisch verstehen wir hier, keine Freund_innen der Romantik zu sein – nach dem Romantikbegriff, wie er zunächst gemeint war. In der Bedeutung des R in RZB. Etwas anderes ist aromantisch. Das ist das Zuneigungsäquivalent zu asexuell.

Angenommen – wirklich nur angenommen, weil rückwärts aus der Norm hergeleitet – Verliebtsein/Liebe und sexuelles Begehren wären zwei Komponenten einer Liebesbeziehung, ist bei Aromantischen der Verliebtsein/Liebe-Teil nicht vorhanden und bei Asexuellen der Sex.

Großes Aber: Diese „Abwesenheit von“ ist nur laut Norm ein Fehlen. Die Norm interessiert uns aber außer zu „Forschungszwecken“ hier nicht. Soll heißen: „Abwesenheit von“ Liebe bzw. Sex erkennen wir nicht als Mangel an, sondern sehen das als Variationen von Hirn-, Herz-, Genitalbeteiligung. Was wir hier ungern aber lapidar „fehlen“ nennen, ist nur im Rahmen dieses idealisierten hochromantisierten Beziehungskonzeptes der romantischen Zweierbeziehung ein Fehlen. Es gibt Begehrensformen ohne Liebe und Zuneigungsformen ohne Sex, und das alles auch in Partnerschaften. Und das alles entspricht nicht der Norm, darum geht es hier.
Romantik zu hinterfragen oder abzulehnen meint also nicht dasselbe wie aromantisch zu sein.

Das andere unromantisch

Was wir auch nicht meinen, wenn wir sagen, wir mögen Romantik nicht, ist, dass wir nicht gerne Serien schauend in die Kuscheldecke pupsen, im Regen küssen, und an Bahnsteigen stehen und heulen. Okay, letzteres mögen wir wirklich nicht. Aber das ist trotzdem romantisch. Das andere romantisch.

Wie geht jetzt diese Normkritik?

Wissen wir auch nicht so genau. Das sollte jede*r für sich herausfinden; am besten im gemeinsamen lernen.

Beziehung ja oder auch nein, aber nicht unbedingt RZB, und wenn überhaupt dann trotzdem. Kritisch, und zwar zuallererst bei uns selbst. Im Privaten, welches ja bekanntlich politisch ist. Nicht einfach vermeiden, öffentlich Beziehung zu performen, und wenn keiner guckt die heterosexuellste Person im Universum sein. Nicht einfach so tun, als hätte man keine Beziehung. Nicht dauernd allen die Zweisamkeit ins Gesicht performen. Es ist wirklich nicht nötig, Purzelchen elf Mal am Tag als taken zu markieren.

Zweisamkeit, das Zusammenwirken Zweier, ist als normatives Narrativ positiv konnotiert, im Gegensatz zur Einsamkeit, die sich im Gefüge der romantischen Norm nicht vom Vorhandensein einer, sondern durch die Abwesenheit einer zweiten Person definiert. Alleinstehende Menschen werden dadurch defizit_isiert, dass sie nicht der Zweierbeziehungsnorm entsprechen, auch durch die Performance von Schnucki und Purzelchen.

Auch mal lesen, was Simone de Beauvoir vor über sechzig Jahren geschrieben hat. Und merken, warum „Ficken statt Herrschaft“ ein Widerspruch in sich sein könnte. Nicht jedes Mal das Rad neu erfinden wollen, erst mal gucken, wie weit andere schon waren. Lesen, was Butler uns über die heterosexuelle Hegemonie beizubringen hat und Bourdieu über die Reproduktion der männlichen Herrschaft. Eingestehen, dass man da mitmacht, Krone richten, besser machen. Merken, dass bei „we cannot fuck our way to freedom“ der naheliegende Umkehrschluss das Gegenteil von richtig ist. Sich klarmachen, wer spricht und wer gehört wird.

Romantik als normatives Ideal ist ein Aspekt herrschaftsförmiger Wirkung von Beziehungen. Diese Norm gilt es auch in eigenen Beziehungen zu hinterfragen und ihre Wirkmächtigkeit mit dem eigenen Handeln zu durchbrechen. Gerade wenn die eigenen Beziehungsvorstellungen dem normativen Idealbild der Romantik entsprechen, ist ein Bewusstsein für die Diversität von Beziehungsentwürfen sowie die Dominanz der eigenen Vorstellung von Beziehung und ein antinormativer Umgang damit unabdingbar.

Es geht um mehr, als nur eine ‚Spaltpilzlösung‘, mit ein paar (no puns intended) Gleichgesinnten „andere“ Beziehungsformen zu entwickeln; dies geschieht ständig und das ist auch gut so. Auch geht es nicht (’nur‘) darum, daß diese Beziehungsformen keinesfalls das ‚andere‘ (Geanderte) der Hetero-Sexuellen-RZB sein sollten. Nicht einmal darum, daß (dauerhaft) kein Sex aus der Zone der Unbewohnbarkeit geholt werden und als Option denkbar werden sollte (aktuelles Beispiel). Es geht darum, daß eine Beziehungsform zur (häufig impliziten) Norm gesetzt wird und sie damit sowohl Druck-, als auch Sogwirkung entfaltet, diesem Standardentwurf möglichst nahe zu kommen. Dies läßt sich nicht durch ein paar Erweiterungen dieser Norm beheben.

Gleichwohl auch wir – ebensowenig wie tote Franzosen und lebende US-Amerikanerinnen – keine fertigen Entwürfe anbieten können oder sollten: Wir brauchen ein neues Verständnis von Sexualität und wir brauchen einen anderen Möglichkeitsraum zur Gestaltung unserer Beziehungsweisen, als uns die gegenwärtigen ‚Defaults‘ nahelegen.

Deshalb: Romantik verbieten!

keiner drei – beziehungsweise machtwirklichkeit.

tl;dr: herrschaftsfreie beziehung bedingt machtbewusstsein und totalreflexion.

nach ermüdenden beziehungskonzeptlängenvergleichen, gefühlsverbotsvorwürfen und allgemeinem aneinandervorbeireden in üblichen debattierungeeigneten medien möchte ich einen impuls für die politische betrachtung von beziehung(skonzepten) geben.

beziehungen, deren ausgestaltung und organisation bemessen sich poltisch an der frage nach den herrschaftsverhältnissen. drei wirkebenen von herrschaft sind im bezug auf beziehungen präsent.

keine beziehung ist in sich herrschaftsförmig aufgrund dessen, welche vorstellung und konzepte zwischenmenschlichen zusammenwirkens umgesetzt werden, wenn die einbezogenen im bewussten, kommunizierten konsens handeln. innere herrschaftsverhältnissen speisen sich aus machtgefällen zwischen einbezogenen und dem nichtbewusstsein, nichtreflektierem, nichtwiderstehen dieser.

über die inneren verhältnisse von beziehung hinaus ist das verhältnis zwischen beziehung und gesellschaft auf zwei arten wichtig: perpetuiert eine beziehung in ihrer wirkung nach außen herrschaftsverhältnisse und sind die menschen in einer beziehung aufgrund dieser beziehung herrschaftsverhältnissen unterworfen.

zusammengefasst:

  • herrschaft zwischen menschen in einer beziehung
  • herrschaft durch die gesellschaft zur beziehung
  • herrschaft der beziehung nach außen

die beziehungsinnere zwischenmenschliche herrschaft ist offenbar. beziehungen, die kein fundament grundlegender horizontalität, konsens oder freier vereinbarung, haben, sind verhältnisse von herrschaft, gleich wie viele menschen welcher geschlechter und anderer verortungen in welchen matrixen unter welchen bedingungen einbezogen sind.

die von außen wirkende beherrschung von beziehung ist für nicht betroffene meist unsichtbar. beziehungen, deren parameter der norm widersprechen, sind von gegen sie gerichteter herrschaft betroffen. die norm ist räumlich und temporal nicht konsistent, sie ist abhängig von der kultur in die sie eingebettet ist und wandel unterworfen, bis hin zum widerspruch; doch die mechanismen der ausgrenzung und defizitierung sind konstant.

spannend und für viele in weiten teilen unsichtbar ist die herrschaftsförmige wirkung von beziehung nach außen. dort wo die norm ohne bruch perpetuiert oder die abweichung normalisiert, zur norm gemacht wird, ist eine beziehung machtwirklich gegenüber dem außen.

in dieser herrschaftsmatrix kann ein bezeihungsaspekt auf einer ebene herrschend, auf einer anderen beherrscht wirken. herrschaft ist jedoch keine nullsummengleichung, bei der macht und ohnmacht sich ausgleichen.

diese erscheinungsformen von herrschaft, diese herrschaftspräsenzen sind weder separat noch ausschließlich, sie wirken immer zusammen und müssen bei der reflexion von beziehungsbezogener herrschaft mitgedacht werden.

Fahrrad entlaufen. (Update)

Update am Ende.

Heute Nacht zwischen 22:30 und 0:30 wurde, während ich in der c-base war, mein Liegerad geklaut, das im Durchgang neben der c-base angeschlossen war. Eine völlig bescheuerte Tat, da das Rad von ungeübten Menschen praktisch nicht zu fahren ist und von dieser Bauart nur sehr wenige in Deutschland unterwegs sind. Ich möchte nicht meiner Mobilität beraubt bleiben und hoffe auf die vielen Augen des Internets. Das Rad ist schwarz, hat 20-Zoll-Reifen mit schwarzen Felgen, silbernes Alu-Kettenblatt, gebrochene Aufhängung der Vorderschwinge (gestern hab ich noch das Ersatzteil bestellt) und ist mit dem Schriftzug Flevobike sowie der Domain der Manufaktur, www.velocologne.com, beklebt.

Flevobike

Wer dieses Fahrrad in Berlin oder anderswo sieht, wem dieses Rad angeboten wird, wer Teile davon aus der Spree angelt oder bei eBay darüber stolpert: Informiert mich, informiert die Polizei, stellt es sicher.

Update: Das Fahrrad ist wieder aufgetaucht. Es wurde von einem aufmerksamen Menschen auf dem Nachbargrundstück in einer Grube gefunden. Entweder wurde es dort deponiert, um es später wegzuschaffen, oder wer auch immer es geklaut hat, musste feststellen, dass es nicht von Ungeübten gefahren werden kann. Wie auch immer, es ist wieder da, lediglich die Sitzauflage bleibt verschwunden. Morgen bekommt es ein neues Schloss, einen GPS-Tracker und einen fernzündbaren Selbstzerstörungsmechanismus. 😉

kein kater nach dem digitalen rauschen

seit einer woche liegt mein twitteraccount nun brach. ich habe nichts geschrieben und meine timeline nicht gelesen. bis auf das leichte gefühl, weniger doch irgendwas zu verpassen, ist meine erfahrung mit diesem experiment so weit positiv. ich habe es tatsächlich geschafft, mich mehr um persönliche treffen und veranstaltungen im meatspace zu bemühen und so drei abende mit menschen verbracht, mit denen ich in kontakt bleiben möchte. auch mein kommunikationsoutput auf anderen kanälen hat sich erhöht.

twitter nicht mehr zu nutzen scheint im übrigen ein spannendes gesprächsthema zu sein. häufig wurde ich in der letzten woche auf meine beweggründe und meine erfahrungen angesprochen. bislang habe ich durchweg positives feedback bekommen. häufig haben menschen ähnliche erfahrungen gemacht oder nehmen die kommunikation auf twitter ebenfalls als belastend wahr. einige haben ähnliche konsequenzen gezogen, etwa notifications deaktiviert, den rückzug in einen protected account angetreten oder die plattform verlassen. kein mensch, mit dem ich darüber sprach, empfand die kommunikation auf twitter als unproblematisch, wobei das feld zwischen diffusem unwohlsein und spezifischen ursachenvermutungen lag.

ich fühle mich gerade ganz wohl mit der kommunikativen entschleunigung und finde es weiterhin spannend damit einhergehende veränderungen zu beobachten.

mehr weniger wagen.

irgendwann im märz 2007 war twitter irgend so ein neues netzdings, wie es sie zu hauf gab und gibt.  da ich absolut promisk bin, was neumodische netzdingse angeht habe ich mir einen account geklickt, um dann erstmal ziemlich ratlos zu sein, was das ganze denn nun soll. tatsächlich lautete einer meiner ersten tweets in etwa „i probably never gonna use this“.

damit lag ich, wie sich herausstellen sollte, so ziemlich daneben. nachdem mein account geraume zeit brach lag, tauchten die ersten desktopclients auf, ich fand die ersten interessanten leute, und mit der durch allmählich einsetzenden omnipräsenz von rundeckigen mobiltelefonen entwickelte sich der kleine nutzlose was-isst-du-gerade-dienst zur globalen, alles durchdringenden instanz in sachen kommunikation.

im rahmen meiner mitwirkung in der organisation der jährlichen jugendumweltkongresse und meines engagement in der umweltbewegung habe ich mich immer sehr intensiv mir kommunikations-, debatten- und entscheidungsfindungsprozessen befasst. kaum zu übersehen ist in solchen zusammenhängen, dass große, formale strukturen prozesse oft arg erschweren und frustrierend machen, während informelle, spontane strukturen häufig dynamisch, produktiv und irgendwo zwischen erträglich und angenehm sind. experimente in dieser richtung mündeten auf dem jugendumweltkongress, dessen zielsetzung immer auch herrschaftsabbau in der selbstverwaltung war, sogar darin, informelle strukturen als tuschelrunden oder interessieren/betroffenengruppen zu institutionalisieren.

diese dynamik der strukturlosen selbstorganisation, die institutionalisierte tuschelrunde, die gleichberechtigte kommunikation zwischen allen beteiligten ermöglicht, hat mich begeistert, mich bereichert. jedezeit in der globalen kaffeeküche stehen, viel mitzubekommen und sich einbringen zu können hat unsere umwelt, unsere sinne erweitert. ziemlich viel bewegung ist aus dieser neuen möglichkeit entstanden, unglaublich viel des potenzials für austausch, debatte und selbstorganisation wurde progressiv genutzt. dieser neue, selbstbestimmte kommunikationskanal wurde zum teil meiner wahrnehmung der welt.

doch die fetten jahre sind vorbei. mit der zeit ist, schleichend, die utopie schal geworden. auch weil es nichts richtiges im falschen gibt und das interesse der risikokapitalfirmen an einer emanzipierteren gesellschaft weit unter dem des profits steht und somit die strategie entlang der monetarisierbarkeit und nicht des guten und richtigen gezeichnet wird. utopien landen da zwangsläufig im falschen quadranten des businessplans. aber nicht nur.

die kommunikationswohlbefindensnadel neigt sich immer mehr in richtung frustration. das medium erzwingt, durch konzentriertheit und durchsatz, destruktive kommunikation. menschen ziehen sich zurück oder brennen aus. ihdl hat das dankenswerter weise beobachtet und in worte gefasst.

ich bin ziemlich ratlos. ich habe das bedürfnis, mich aus diesem kanal herauzuziehen. einerseits. andererseits möchte ich weiter mit den vielen menschen, die mir wichtig sind, in verbindung bleiben. ich möchte weiterhin teil des schwarms sein, der emanzipatorisch wirkt, halte aber das regressive grundrauschen schwer aus.

ich bezweifle, auch wenn ich die initiative unbedingt unterstützenswertnotwendig finde, dass ein mehr an kommunikationsbewusstsein großen niederschlag findet. ich werde – erstmal vorläufig, aber mit der option auf permanenz – twitter als kommunikationskanal einstellen. meine gedanken mehr ins bloggen fließen lassen, persönliche kommunikation mehr nach jabber (zurück)verlagern, informationsrauschen mehr von app.net beziehen und zum debattieren, austauschen und welt retten mich wieder darauf besinnen, mich proaktiv mit menschen zu treffen.

ich werde all das so bewusst wie möglich tun und meine erfahrung mit diesem mehr an weniger festhalten.

rocket science is no rocket science.

tl;dr: ohne inklusion keine raketen.

stellen wir uns mal, als reines gedankenexperiment, eine welt vor, in der in den letzten hundertdrölf jahren willkürlich die hälfte der menschen davon abgehalten oder es ihr zumindest schwer gemacht wurde, sich zu bilden, zu erkenntnissen zu gelangen, forschung zu betreiben. einfach so. wie sehr würde sich das auf den fortschritt auswirken? gäbe es errungeschaften wie das internet? elektrischen strom? dampfmaschinen? lassen sich die konsequenzen überhaupt abschätzen?

mensch muss sich nur umsehen um genau ein solches szenario vorzufinden. frauen* werden beim zugang zu bildung benachteiligt, ihre forschung wird weniger ernst genommen und selbst die wenigen, die sich in einer männlich dominieren welt tatsächlich gegen alle widerstände durchsetzen können, sich vielleicht sogar arrangieren und wohl fühlen, können ihr potenzial gewiss nicht in der völle nutzen, wie es dem dominanten gesellschaftsteil als natürlich zufällt.

hier nimmt die fortschrittssabotage noch kein ende. der zugang zu resourcen, wissen und bildung versiegt an den grenzen nationaler oder supernationaler konstrukte. menschen die nicht an den optimalen geokoordinaten oder mit nicht akzeptiertem äußeren geboren werden, haben kaum eine chance, theoreme aufzustellen oder elementarteile zu suchen, wenn schon ihr überleben struktureller sabotage unterworfen ist.

das sind nur zwei stellen an denen deutlich sichtbar ist, welche bugs in dieser gesellschaft noch stecken. doch es gibt keine backup-hardware, wir müssen mit dem leben, was da ist. wie weit wäre die gesellschaft, würden wir nicht mit workarounds den kaputten zustand aufrecht erhalten, statt bugs zu fixen oder freie alternativen zu schaffen?

während ich mich darüber ärgere, noch nicht durchs weltall reisen zu können und mich daran abarbeite, überhaupt ein problembewusstsein zu schaffen, treffen sich in hamburg auf dem 29c3 menschen, von denen ich glaube, dass sie das potenzial haben, die welt zu fixen oder sich zumindest ihrer position im sie umfassenden gefüge bewusst zu werden. ich halte viel von diesen menschen, die es schaffen, sich so vieler bugs in der welt, technisch wie kulturell, anzunehmen und einigen sogar ganz bemerkenswert entgegenzuwirken. doch dieses bewusstsein ist unvollständig und fragil. wie leicht es zerbricht, zeigt sich gerade in laufenden debatten, entstanden durch kritik, deren anliegen es war, dieses bewusstsein auszuweiten und einzufordern, die eigene wirkung zu hinterfragen.

doch gibt es einen hoffnungsschimmer: raketen, raumstationen und weltraumreisen. dieses ziel hat sich auch die hackkultur gesetzt, und erreichbar ist es nur, wenn wir als gesellschaft nicht unser potenzial verschwenden, sondern resourcen für alle verfügbar machen, grenzen niederreißen und einsehen, dass die rakete nur fliegt, wenn alle düsen die gleiche schubkraft haben.

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